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Wikipedia mit Erasmuspreis ausgezeichnet

Ich bin ein Schüler aus der Klasse 9 am MKG Wegberg und habe wahrscheinlich ein für mein Alter eher ungewöhnliches Hobby: In meiner Freizeit schreibe ich Artikel und fotografiere für die "freie Online-Enzyklopädie Wikipedia". Vor Kurzem durfte ich sogar an der Verleihung des Erasmuspreises an Wikipedia in Amsterdam teilnehmen.

Wie es schon im Namen "freie Online-Enzyklopädie Wikipedia" steht: Wikipedia ist frei. Dies bedeutet aber nicht nur, dass sie kostenlos ist, sondern viel mehr, dass jeder an ihr mitschreiben und sie entsprechend der Lizenz weiterverwenden kann. Die Artikel werden dabei nicht von bezahlten, extra dafür angestellten Autorinnen und Autoren geschrieben, sondern werden von Menschen in ihrer Freizeit verfasst. Jeder kann sich beteiligen - sei es mit einem kompletten Artikel oder nur mit der Korrektur eines Tippfehlers. Das Bearbeiten geht ganz einfach: in einem Artikel oben in der Navigationsleiste den blauen Link "Bearbeiten" klicken und dann den Artikel verändern. Das Prinzip dahinter ist die Schwarmintelligenz: In einem Text, der von 100 Menschen gelesen wird, fällt ein Fehler vielleicht 10 Personen auf und eine korrigiert ihn dann. Jede Änderung muss belegt und nachvollziehbar sein und bevor sie für alle Leser zu sehen ist, von einem "Sicher" überprüft werden. Durch diese ständige Aktualisierung kann Wikipedia aktueller und umfangreicher als eine gedruckte Enzyklopädie sein. Ein weiterer Vorteil des Internets gegenüber einer gedruckten Ausgabe ist die Verwendung von Bildern. Im Internet gibt es weitaus weniger Grenzen für den Umfang von Bildern als in Büchern. Genau wie einen Text kann auch jeder Bilder zu diesem Projekt beisteuern.

Dazu nehme ich mir manchmal meine Kamera und ziehe los durch Wegberg. Dabei fotografiere ich vorwiegend Denkmäler, die wir hier in Wegberg haben. Insgesamt gibt es in Wegberg 168 Baudenkmäler.

Die Arbeit der ehrenamtlichen Autoren der freien Enzyklopädie ist beachtlich: Innerhalb von 15 Jahren, in denen es die Wikipedia gibt, wurden insgesamt über 1.900.000 Artikel in deutscher Sprache geschrieben. Der Erasmuspreis wird jährlich an Personen oder Institutionen verliehen, die einen außerordentlich wichtigen Beitrag im kulturellen, sozialen oder sozialwissenschaftlichen Bereich geleistet haben. Durch die anfangs beschriebene Offenheit der Enzyklopädie wird deutlich, dass Wissensquellen nicht neutral und stets abgewogen sein müssen. Dies spielt eine große Rolle in den Ländern, in denen Neutralität und freie Informationen nicht selbstverständlich sind. Mit der kritischen Betrachtung von Text und Quellen und mit der Erweiterung von Wissen spiegeln sich in dem Wikipedia-Projekt die Ideale des Humanisten Erasmus von Rotterdam, dem Namensgeber des in Amsterdam verliehenen Erasmuspreises, wieder.

Der mit 150.000 Euro dotierte Erasmuspreis wurde im letzten Herbst im Königlichen Palast in Amsterdam durch den Schirmherr der niederländischen Stichting Praemium Erasmianum, König Willem Alexander, an drei Stellvertreterinnen und Stellvertreter der Community verliehen: an Adele Vrana (Brasilien/USA) für Wikipedia Zero, ein Projekt, welches die Wikipedia auf mobilen Endgeräten in Entwicklungs- und Schwellenländern auch ohne Übertragungskosten verfügbar macht, an Phoebe Ayers (USA) für den Einsatz für die Interaktion zwischen Wikipedia und wissenschaftlichen Bibliotheken, um auch Menschen, die keinen Zugang zu diesen Bibliotheken haben, Informationen aus ihnen zugänglich zu machen, sowie an Lodewijk Gelauff (Niederlande) für Wiki Loves Monuments, einen internationalen Fotowettbewerb rund um Kulturdenkmäler, den nach dem Guinness-Buch der Rekorde weltweit größten Fotowettbewerb.

Ich war im letzten November als einer von 20 deutschen Wikipedianerinnen und Wikipedianern bei der Preisverleihung in Amsterdam dabei. Am Morgen des 25. November 2015 bin ich nicht wie sonst zur Schule gefahren, sondern mein Weg führte mich an diesem Tag zum Bahnhof. Mit dem Zug bin ich dann bis Düsseldorf gefahren, wo ich mich mit anderen Wikipedianern im ICE nach Amsterdam traf. In Amsterdam angekommen hatten war nicht besonders viel Zeit, die Stadt anzusehen. Es ging direkt ins Hotel, um dort die Vorbereitungen für den Besuch beim König zu treffen. Mit normaler Reisekleidung kam man natürlich nicht in den königlichen Palast! Nachdem ich gemäß Dresscode angezogen war, der auf der Einladung gefordert wurde, ging es zum Palast. Der Platz vor dem Palast war abgesperrt und ein roter Teppich lag aus, die Wachsoldaten salutierten. Vorbei kam man nur mit der Einladung und seinem Ausweis. Im Palast ging es nach der Registrierung zuerst in den roten Salon und dann weiter durch den Palast und weitere Säle zum Großen Saal. Der Palast sieht schon von außen prächtig aus, innen ist er es noch viel mehr. So saßen etwa 300 Personen um 15.45 Uhr auf den Stühlen im Großen Saal, pünktlich um 16.00 Uhr wurde es still. Das Komitee des Erasmuspreises betrat den Saal, kurze Zeit später erhoben sich die Anwesenden und begleitet von König Willem-Alexander, Königin Máxima der Niederlande, Prinzessin Beatrix, der ehemaligen Königin, und Prinz Constantijn, dem Bruder des Königs, betraten die Preisträger des Erasmuspreises, die ihn stellvertretend für die Community in Empfang nehmen sollten, den Saal.

Die Veranstaltung begann mit einem Film über die Wikipedia und die Projekte der Preisträger, darauf folgten die Reden des Vorsitzenden des Komitees für den Erasmuspreis, Martijn Sanders, und die Laudatio von Bergtje van der Haak. Schließlich übergab der König den Preis an die drei Preisträger Phoebe Ayers, Adele Vrana und Lodewijk Gelauff. Nach einer Dankesrede und einem auf einem Flügel und einer Stradivari-Geige gespielten Musikstück begleiteten die königlichen Hoheiten die Preisträger aus dem Saal. Bei warmen Snacks und Getränken gab es nun die Gelegenheit, sich in kleinen Gruppen auszutauschen. Dort stand allerdings nicht nur das Publikum zusammen, sondern auch die Königin und der König erschienen und unterhielten sich angeregt mit einigen Wikipedianern. Die Veranstaltungssprache war Englisch. Der Abend klang zusammen mit den niederländischen Wikipedianern in einem chinesischen Restaurant im Hafen Amsterdams aus. Am nächsten Tag folgten eine Städtebesichtigung und der Besuch des Amsterdam-Museums sowie eine Ausstellung der Uni Amsterdam über historische Enzyklopädien und deren Entwicklung. Später fuhr ich dann mit dem ICE wieder zurück Richtung Heimat. Dies war das Ende zweier langer, spannender, aber auch sehr lohnender Tage in Amsterdam.

Von Kai Kleinheuer (Jgst. 9)