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Theaterrezension zu Goethes "Iphigenie auf Tauris" im RLT Neuss

Arkas und Portas als auflockerndes Element in einem inhaltlich anspruchsvollen Theaterstück, das die teilweise nicht mehr zeitgerechten Inhalte des Dramas von Goethe in einer eigenen, moderneren Fassung wiedergibt.

Direkt zu Beginn des Stückes stellen sich die beiden Taurer als unterhaltsame Kommentatoren vor, die auch im weiteren Verlauf zwischen jedem Aufzug das Geschehen zusammenfassen, die Stimmung auflockern und in die Thematik des nächsten Handlungsverlaufes einleiten. Auch die Kostüme sind ansprechend, die unzivilisierten Taurer durch ihre Flickenkleidung gut vertreten und somit sind die Griechen gut von ihnen zu unterscheiden. Der Hintergrund war hingegen einfallslos grau und auch der Fels als Insel und der Baumstamm als Nachbildung des Heiligtums der Diana sind sehr eintönig und etwas enttäuschend. Ein verändertes Bühnenbild hätte sicherlich die Vorstellungskraft der Zuschauer verbessert und die Wirkung der Handlung wesentlich erhöht.

Der Inhalt wird ziemlich genau erfasst: Iphigenie (Katharina Dalichau) trifft als erste Überlebende auf der Insel Tauris ein und überzeugt den Barbarenkönig Thoas sogar die blutigen Bräuche abzuschaffen und wird als Priesterin Dianas eingesetzt. Nachdem sie sich eingelebt hat, will der König sie heiraten und eröffnet damit einen inneren Konflikt von Iphigenie zwischen Neigung und Pflicht. Nun treten Orest und Pylades, die durch ein Seil verbunden sind, auf. Dies kann sowohl die Gefangenschaft als auch für die Verbundenheit der beiden Charaktere stehen. Es ist ein zusätzliches und gelungenes Mittel, das die Beziehung zwischen Orest und Pylades beschreibt.

Daraufhin spitzt sich die Atmosphäre zu, da die Priesterin die wieder eingeführten Opferungen an diesen durchführen soll und damit den Tantalidenfluch fortsetzen würde. Orest (Michael Großschädl) macht sich vor allem durch seine trotzigen und kindlichen Wutausbrüche bemerkbar, die für den neutralen Beobachter vermehrt als zu überzogen wirkten. Auch versucht die Regisseurin offensichtlich das Stück für die Zuschauer angenehmer zu gestalten, indem sie Pylades am Anfang seiner Auftritte mehrmals über den Fels fallen lässt. Dies kann durchaus ein gelungenes Stilmittel der Hast sein, jedoch sollte es nicht durch zu häufige Verwendung derart überstrapaziert werden. Im weiteren Handlungsverlauf planen die Griechen ihre Flucht zurück in die Heimat, die jedoch durch Iphigenie gefährdet wird. Denn diese verrät den Plan auf Grund ihrer Verbundenheit mit den Taurern dem Barbarenkönig Thoas und legt damit die Verantwortung in die Hand des Barbaren.

Der Schluss des Dramas unterscheidet sich jedoch ziemlich deutlich von dem des Theaterstückes, da sie bei diesem nicht die Wendung zur Humanität des Barbarenkönigs Thoas betont, sondern für den Zuschauer zunächst einigen Interpretationsfreiraum offen lässt, um dann eine zusätzliche Szene zu entwerfen, in der Thoas der Barbarei erneut verfällt.

Die Rolle des Barbarenkönigs (Joachim Berger) an sich ist hingegen überzeugend gespielt. Durch zusätzliche, namenlose Begleiter des Königs wird seine Macht treffend dargestellt und seine übergeordnete Rolle sticht heraus, wenn er seine Untergebenen mit kurzen, anderssprachigen Anweisungen in die Schranken weist. Seine Gestik und Mimik vermittelt dem Zuschauer zu jeder Zeit treffend, was in ihm vorgeht und was sein nächster Handlungsschritt sein könnte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Regisseurin Antje Thoms in ihrem Versuch, das Ende des Dramas aufzuwerten, fehlgeschlagen ist, da sie die Lösung des Konfliktes, wie sie in Goethes Drama zu finden ist, durch ihre Neufassung nicht treffend darstellt und den Interpretationsrahmen einschränkt. Unter den Schauspielern gab es sowohl ansprechende als auch weniger ansprechende Umsetzungen. Die Darstellung von Michael Großschädl als Orest erscheint zwar überzogen emotional, Joachim Berger als Thoas ist aus den oben genannten Gründen jedoch derjenige, der seinen Charakter als "Halbzivilisierter" ausgesprochen authentisch spielte und damit das Stück in großen Teilen spannend und interessant gestaltete. Iphigenie auf Tauris bleibt eben auch auf der Bühne immer noch "verteufelt human".

Von Benedikt Kamp und David Imkamp